Südhessen Morgen, 09. Oktober 2006

Ein vielseitiger Mensch verzaubert am Klavier

Litauens Ex-Staatspräsident Landsbergis stellt das Werk des Komponisten Čiurlionis vor

Von unserem Mitarbeiter Thomas Braun

Hüttenfeld. Zu einem Klavierabend der besonderen Art lud das Litauische Kulturinstitut im Rahmen seiner Jahrestagung 2006 ein. Der ehemalige litauische Staatspräsident und amtierendes Mitglied des Europarates Prof. Vytautas Landsbergis stellte die Klavierwerke des Komponisten Mikalojus Konstantinas Ciurlionis vor.

Politiker, Musikwissenschaftler und Pianist: Vytautas Landsbergis ist ein Mensch mit vielen Interessen und Fähigkeiten – genau wie der Komponist, dessen Werke er interpretierte. Landsbergis gab einen Überblick über die zahlreichen Klavierwerke von Mikalojus Konstantinas Ciurlionis, der ebenso vielschichtig war, wie sein heutiger Interpret: Maler, Philosoph und Komponist. In seinem Schaffen zeigte sich Ciurlionis höchst aktiv, wenn man bedenkt, dass sein Gesamtoeuvre fast vierhundert Musikstücke beträgt, obwohl der Künstler mit 35 Jahren einer Lungenentzündung erlag.

Auf den ersten Blick erinnert der Stil und die Titelwahl Ciurlionis seinem polnischen Vorgänger Frédéric Chopin. Präludien und Mazurken, die im romantischen Stil vertont sind, herrschen im Werkverzeichnis vor. Bei näherem Hinhören findet man in den Stücken aber eine ganz eigene Handschrift: mal hell strahlende harmonische Melodien, dann dunkle glockenartige Bässe in Oktavparallelen und schließlich dissonante Passagen. In Kombination sind diese Merkmale eher selten verarbeitet. An Virtuosität stehen die Stücke den Chopinwerken nach, doch bieten Ciurlionis Werke weit mehr Möglichkeiten an musikalischen Ausdruck.

Diese Ausdrucksmöglichkeiten schöpft Landsbergis in seiner Spielweise nahezu aus. Die klare Hervorhebung der Melodielinien auch in den vielen polyphonen Passagen und eine perfekte Abphrasierung der Liedabschnitte verschaffen den Zuhörern sofort Zugang zu Ciurlionis Musik. Die dynamischen Unterschiede zeigt er deutlich, aber nicht extrem. So hat Landsbergis, wie jeder Pianist, auch seine eigene Handschrift. Dem Schlussklang lauscht er selbst, die Finger schon von der Tastatur entfernt und die Töne durch das Pedal gehalten, aufmerksam nach.

In etwas anderer Manier setzte sich der zweite Programmteil zusammen. Landsbergis wechselte hier Volksliedvertonung und Präludium ab. In eigenständigen Kompositionen verarbeitete Ciurlionis alte bekannte litauische Volkslieder. Die Melodien werden, rhythmisch unverändert, in einem neuen tonalen Gefüge verarbeitet. In Ergänzung dazu, leitete jeweils ein Präludium über. Diese Überleitungen hatten zwar nichts mit den Volksliedvertonungen zu tun, doch hielt durch die passende Auswahl Landsbergis die Stimmung des vorigen Liedes noch etwas vor.

Eine besondere Zugabe gab Landsbergis den begeisterten Zuhörern zum Abschluss: Ein düster wirkendes Präludium, das voller Trauermarschmotive steckte, wurde zum Tribut. Landsbergis widmete dieses Stück der wenige Stunden vor dem Konzert ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja. Wie Landsbergis setzte sie sich gegen die Besatzungspolitik Russland ein

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